Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Unterschiedliche Blickwinkel auf die TSS-Meldepflicht

Eine Einschätzung von Justiziar Jan Frederichs

Die Themen Präsenzpflicht und die neue Meldepflicht der Termin-Servicestellen (TSS) bleiben schwierig zu verstehen. Scheinbar unterschiedliche Antworten auf dieselben Fragen bringen Verwirrung. Was stimmt denn nun? Muss man melden oder nicht? Bei genauerer Betrachtung zeigen sich leicht unterschiedliche Blickwinkel. Diese sollen hier pointiert werden. Es dürfte der zeitlich verschiedene Horizont sein. Viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sehen ihre aktuelle Situation: Sie arbeiten nicht wenig, vielleicht sogar sehr viel und stellen fest, dass sie keine freien Kapazitäten haben, die der TSS gemeldet werden könnten (und nur wenn sie frei wären, müssten sie gemeldet werden). Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bzw. die von ihr betriebene TSS betrachtet dieselbe Frage von einer anderen Seite: Im theoretischen Ausgangspunkt sind alle Termine zunächst mal frei. Diese werden vergeben (primär und weitgehend von der Praxis selbst) inzwischen aber auch TSS-vermittelt. Aus Sicht der KV und der TSS muss es freie Termine geben, wenn nicht sofort, dann jedenfalls irgendwann später. Und das ist prinzipiell richtig, was folgende Übertreibung verdeutlicht: Im Jahr 2023 werden alle psychotherapeutischen Praxen freie Termine haben. Das wird von der TSS zu einem „zeitlosen“ Status verallgemeinert: Es gibt grundsätzlich freie Termine und die müssen gemeldet werden.

Umgekehrt ist ebenfalls logisch, dass z.B. eine Praxis, die auf absehbare Zeit „bis unter die Dachziegeln“ voll ist, keine freien Termine hat und konsequenterweise auch keine an die TSS meldet (die TSS verlangt gar nicht, dass man jetzt schon Termine für 2023 meldet).  Aber nicht nur diese „am Anschlag“ arbeitenden Kolleginnen und Kollegen, sondern auch viele andere, die aus diversen Gründen so viel arbeiten wie sie können und nicht mehr, brauchen Termine nicht zu melden, wenn sie nicht konkret frei sind. Die TSS möchte hingegen vorsorglich schon für später freie Termine (die ja zwingend irgendwann mal frei werden) gemeldet bekommen. Dabei wird suggeriert, dass nächste freie Termine ja wohl nicht erst in ferner Zukunft lägen, sondern wohl in den nächsten Wochen.

Vor diesem Hintergrund muss man folgende Frage/Antwort aus den FAQ der KVNo kritisch kommentieren:

Wenn ich als Psychotherapeut einen Termin für Akutbehandlung/Probatorik melde, ist das ja nur der Anfang einer Terminserie. Muss ich trotzdem für jeden Monat einen Termin melden?
Ja. Sollte ein von Ihnen gemeldeter Termin zur Akutbehandlung/Probatorik gebucht werden und sich dann herausstellen, dass diese auch bei Ihnen durchgeführt wird, können sie entsprechend gemeldete Termine für die nächsten Monate löschen.

Kritisch ist anzumerken, dass damit folgende, vermutlich viel häufiger gestellte Frage verdrängt wird: Wenn ich einen freien Termin für Akutbehandlung gemeldet habe und sich für eine TSS-vermittelte Patientin oder einen TSS-vermittelten Patienten die Indikation für die weitere Akutbehandlung (Terminserie) ergibt, muss ich diese dann durchführen? Und um es noch deutlicher zu machen: Diese Frage stellt sich nur vor dem Hintergrund, dass man dafür Termine frei machen müsste oder schaffen müsste, obwohl man die Kapazitäten nicht hat. Die Beantwortung dieser Frage wäre für die FAQ viel interessanter gewesen: Auch bei Indikation kann und muss eine Serie Akutbehandlung nicht in eigener Praxis durchgeführt werden, wenn dafür keine freien Termine zur Verfügung stehen, auch dann nicht, wenn ein (!) freier Termin für die Akutbehandlung gemeldet war.

Das Thema bleibt natürlich trotzdem ein schwieriger Punkt: Ein (einziger) Termin für eine Akutbehandlung ist nicht sinnvoll. Aber wenn man nur von einem freien Termin weiß, kann und braucht auch nur einer gemeldet zu werden. Das dürfte die KV bzw. TSS stören und so suggeriert sie, man müsse regelmäßige freie Termine bzw. wöchentlich gleichmäßige Terminserien melden – aber das ergibt sich nicht aus dem Gesetz und kann deshalb nicht verlangt werden, so stringent und bequem es auch wäre. Wenn sich Praxen eher flexibel um andere Termine herum organisieren, bisweilen auch auf Patientenwünsche nach wechselnden Terminen eingehen und deshalb immer nur kurzfristig wissen, ob und wann es mal konkret einen freien Termin gibt, dann ist und bleibt eine solche Praxisorganisation erlaubt. Als unverbindlicher Appell bleibt die Erwartung der Benennung von Terminserien aber plausibel.

 Trotz aller dieser Einwände, die sich eher auf suggestive oder ungenaue Formulierungen beziehen, soll die KV (mit der TSS) nicht als Gegnerin verstanden werden, man ist schließlich deren Mitglied und deren Pflicht, den Versorgungsauftrag zu erfüllen, ist mittelbar auch eigene Angelegenheit. Es ist nun mal im Gesetz vorgesehen, dass man als kassenzugelassene Therapeutin bzw. kassenzugelassener Therapeut nicht mehr ganz allein über die Terminvergabe entscheidet, sondern auch die TSS mit wirkt. Der Einwand, die Ursache für lange Wartezeiten liege an der unzulänglichen Bedarfsplanung, ist zwar richtig, ändert aber nichts an der Rechtslage zu den TSS. Deshalb ist es sinnvoll, sich zumindest mittel- bis langfristig darauf einzustellen, mit der TSS zu kooperieren. Dabei muss das nicht in größerem Umfang geschehen. Die Praxisorganisation sollte aber grundsätzlich regelmäßig auf TSS-Vermittlungen eingestellt sein und im Vorfeld entsprechend Termine melden können.

Wo dies nicht dazu führt, dass regelmäßige, jede Woche gleichermaßen freie Termine genannt werden können, ist das kein Verstoß; es bleibt erlaubt, immer wieder neue bzw. andere freie Termine, auch konkret einzelne zu benennen, erforderlichenfalls wieder zu löschen oder ggf. keine zu melden.

Wie vor diesem Hintergrund die Akutbehandlung TSS-vermittelt werden soll (bzw. im Vorfeld Terminmeldungen dafür verlang werden) muss auf den Prüfstand und dabei ist in Kauf zu nehmen – und dann aber auch öffentlich klarzustellen – ,dass bezogen auf Akutbehandlungen nur freie Terminserien gemeldet werden können bzw. müssen (und diese zwangsläufig nur, wenn sie nach der freien individuellen Praxisorganisation auch tatsächlich frei sind).