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Die Problemfelder der Psychotherapeuten in Institutionen werden entscheidend geprägt von den rechtlichen Bedingungen, die den einzelnen Institutionen zugrunde liegen und vielfach in der Verantwortung der Länder liegen. Dies sind in jedem Bereich von Institutionen (Schul-, Erziehungs-, Familien-, Sexual-, Drogen-Beratungsstellen, stationäre oder teilstationäre Einrichtungen der Jugendhilfe, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, forensischen Einrichtungen, Strafanstalten, Einrichtungen der Bundeswehr, betriebliche Einrichtungen) sehr unterschiedliche rechtliche Regelwerke und dementsprechend unterschiedlich sind die Problemfelder.
In vielen dieser Einrichtungen arbeiten Diplom-PsychologInnen oder klinische PsychologInnen, viele von ihnen sind psychotherapeutisch tätig. Diese psychotherapeutischeTätigkeit ist nicht immer eine "Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie" im Sinne des PsychThG, erfordert nicht zwingend eine Approbation. So sind z.B. viele Diplom-Psychologen in Kliniken psychotherapeutisch tätig in einer Funktion wie Ergotherapeuten oder andere Heilhilfsberufe, indem sie auf Anordnung des Arztes arbeiten, der diese Tätigkeit im Rahmen seines Behandlungsplanes zu verantworten und dies auch gegenüber den Kassen zu rechtfertigen hat, die es letztlich bezahlen. Auch die Erziehungsberatung und Sexualberatung sind keine Psychotherapie im Sinne des PsychThG. Sie sind in den Psychotherapie-Richtlinien ausdrücklich davon ausgenommen. Dies betrifft auch viele andere Bereiche insbesondere im ambulanten Sektor.
Es gilt bei der Frage nach Psychotherapie in Institutionen grundsätzlich zu unterscheiden zwischen:
Im weiteren ist von Bedeutung die berufsrechtliche Seite des PsychThG, nach der die Ausübung heilkundlicher Psychotherapie im Sinne des PsychThG eine Approbation erfordert, die darüber hinaus u.a. mit dem Nachweis einer Qualifikation (Fachkunde) und - je nach den Regelungen der Länder über die Heilberufe (Heilberufgesetze) - der Zugehörigkeit zu einer Psychotherapeutenkammer mit entsprechender Berufsordnung verbunden ist. Approbierte Psychologen sind durch das PsychThG berechtigt zur eigenverantwortlichen Ausübung von Psychotherapie im Sinne des PsychThG[1]. Dies unterscheidet sie von Diplom-Psychologen ohne Approbation, die in Kliniken oder anderen Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich des SGB V beschäftigt sind. Sie dürfen nicht eigenverantwortlich, sondern nur auf Anordnung und im Rahmen der Verantwortung eines Arztes (oder eines Psychotherapeuten) tätig werden (siehe oben und Fußnote 1) .
Vor diesem Hintergrund möchten wir im Folgenden unsere Zielvorstellungen für Psychotherapeuten in Institutionen formulieren.
Wir möchten hier nur einige allgemeine Gedanken formulieren für den Bereich der Beratungsstellen und der Forensik.
Die Tätigkeit in Beratungsstellen umfasst ein weites Spektrum psychologischer, klinisch-psychologischer und insbesondere auch pädagogischer und soziologischer Ansätze einschließlich rechtlicher Beratung und Hilfestellung. Die Konzeptionen der Träger solcher Beratungsstellen kann sehr unterschiedliche Gewichtungen vornehmen. Einige betonen ausdrücklich, die Probleme, mit denen die Ratsuchenden zu ihnen kommen, nicht als Ausdruck einer Krankheit, sondern als Probleme in der Erziehung zu verstehen und mitentsprechend pädagogischen und psychologischen Mitteln zu behandeln. Wir akzeptieren und unterstützen diese Sichtweise und respektieren die Kompetenz der Mitarbeiter in Beratungsstellen.
Andere Beratungsstellen sehen gerade auch einen ihrer Schwerpunkte in der Psychotherapie und legen bei der Auswahl ihrer psychologischen MitarbeiterInnen Wert auf die Approbation. Wir unterstützen diese Differenzierung. In einigen Tätigkeitsfeldern erscheint es sinnvoll oder gar notwendig, psychotherapeutische Hilfen anzubieten, die über den sehr eng gesteckten Rahmen der ambulanten Versorgung in einer psychotherapeutischen Praxis hinausgehen, z.B. wenn das Klientel nur durch eine zugehende Hilfe zu erreichen ist, die Behandlung direkt im familiären und sozialen Umfeld erfolgen sollte und/oder die Klienten mit den regulären Bedingungen wie z.B. derEinhaltung von Terminen überfordert sind.
Generell halten wir es für sinnvoll und für notwendig insbesondere in den Bereichen, wo gehäuft auch Störungsbilder mit Krankheitswert auftreten, die Kompetenz von Psychotherapeuten mit entsprechend nachgewiesener Fachkunde für die Ausübung heilkundlicher Psychotherapie in die Tätigkeitder Beratungsstellen mit einzubeziehen, sowohl zur Beratung wie auch zur Entwicklung einer übergreifenden Behandlungsplanung im Einzelfall. Dies kann in ähnlicher Weise geschehen, wie Beratungsstellen (z.B. im Bereich der Sexualberatung) die medizinische Kompetenz eines Arztes in ihre Arbeit einbinden.
Die Regelungen zum Maßregelvollzug und der Unterbringung in forensischen Einrichtungen sind im wesentlichen Aufgabe der Länder. Hier ist im § 6 des Maßregelvollzugsgesetzes aus NRW ausdrücklich von der "ärztlichen oder psychotherapeutischen Leitung der Einrichtung" die Rede. In § 16 zum Thema "Therapie und Eingliederungsplan" ist ausdrücklich die psychotherapeutische Behandlung als Bestandteil der Therapieplanung erwähnt. Wir verstehen dies so, dass der Gesetzgeber hier ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, Psychotherapeuten als Leiter der Einrichtung einsetzen, die durch ihre Approbation den Ärzten gleich gestellt sind. Im weiteren gehen wir - wie im Bereich der Krankenhäuser (siehe unten) - davon aus, dass die hier erwähnte Psychotherapie allein von Approbierten (Ärzten oder Psychotherapeuten) letztendlich verantwortet werden kann und werden uns dafür einsetzen, dass dies auch bundesweit so umgesetzt wird.
Hier geht es um die Institutionen, in denen Psychotherapie durch die Sozialversicherungsträger finanziert wird, also i.d.R. durch die Krankenkassen für den Bereich der Krankenhäuser und der Einrichtungen zur teilstationären und ambulanten Krankenbehandlung und die LVA bzw. BfA i.d.R.für den Bereich der Rehabilitationseinrichtungen.
Bei grober Betrachtung lässt sich feststellen: Mit dem Psychotherapeutengesetz sind die Psychotherapeuten im Bereich der ambulanten Psychotherapie den Fachärzten im Berufs- und Sozialrecht weitgehend gleichgestellt: sie sind berechtigt, Psychotherapie eigenverantwortlich auszuüben und mit den Kassen abzurechnen. Die PsychotherapeutInnen in den Institutionen hatten die Erwartung, dass ihnen durch die Approbation in gleicher Weise das Recht eingeräumt würde, in ihrer Institution Psychotherapie eigenverantwortlich ausüben zu können. Dies betraf insbesondere die KollegInnen in den Kliniken. Sie hatten gehofft, in ähnlicher Funktion arbeiten zu können wie die Fachärzte und auch entsprechende Leitungsfunktionen einnehmen zu können auf der Ebene von Stationen oder Abteilungen. Diese Erwartungen haben sich bisher nicht erfüllt.
Auch wenn es nicht immer so aussehen mag: die approbierten Diplom-PsychologInnen in den Kliniken sind formal gesehen immer noch im Rahmen der ärztlich verantworteten Behandlungsplanung tätig und arbeiten ähnlich wie Ergotherapeuten in der Funktion als Heilhilfsberuf. Im Sinne der Versorgung psychisch Kranker und im Sinne der Ausübung von Psychotherapie durchPsychotherapeuten sehen wir es als eine notwendige Forderung:
Und wir betrachten es als unsere Aufgabe, diese Forderung im Verbund mit den anderen Psychotherapeutenverbänden durchzusetzen.
Bei differenzierter Betrachtung lässt sich erkennen: auch im Bereich der ambulanten Psychotherapie eröffnen die gesetzlichen Regelungen und die weiteren derzeit geltenden Vereinbarungen den Psychotherapeuten nur einen eingeschränkten Zugang zur Versorgung psychisch Kranker. So werden nach den Indikationsstellungen der Psychotherapierichtlinien ein Großteil der schizophrenen und affektiven Störungen (F 20 bis F 39 nach ICD 10)[2] allein den Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. für Psychosomatik und Psychotherapie zur Behandlung überlassen. Diese Aufteilung und damit die Indikation für Psychotherapie ist durch die Psychotherapierichtlinien in einer Weise eingeschränkt, die wissenschaftlichen Kriterien nicht standhalten kann. Auch die ambulant tätigen Psychotherapeuten sind damit den Fachärzten für Psychotherapie hinsichtlich der Indikation ihrer Tätigkeit noch nicht gleichgestellt. Dies gilt es zu ändern.
Dieser Punkt ist deshalb von Bedeutung, weil gerade die schizophrenen und affektiven Störungsbilder einen Schwerpunkt bilden sowohl für die stationäre Behandlung in den psychiatrischen Kliniken wie auch in Projekten im Bereich der integrierten Versorgung chronisch psychisch Kranker[3]. In der stationären Behandlung und in den dafür entwickelten Leitlinien zeigt sich, dass Psychotherapie ein wesentliches Element in der Behandlung dieser Störungen darstellt, einen Schwerpunkt bilden. Psychotherapeuten sind hier jedoch offensichtlich nicht berechtigt, psychotherapeutische Behandlung dieser Störungsbilder eigenverantwortlich durchzuführen oder in den Teams zur integrierten Versorgung die verantwortliche Leitung zu übernehmen. Dies ist bisher Ärzten vorbehalten. Auch dies erscheint uns nicht angemessen und ist zu ändern.
Auch in einem weiteren Punkt lässt sich bei den ambulant tätigen Psychotherapeuten eine wesentliche Einschränkung der Befugnisse erkennen (siehe §73 (2) SGB V): gerät ein Patient im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung in eine Krise, die ihn daran hindert, seiner Arbeit nachzugehen, dann kann der Psychotherapeut ihm nicht seine Arbeitsunfähigkeit testieren. Ist die Krise derart, dass sie im ambulanten Setting nicht mehr aufzufangen ist, dann kann der Psychotherapeut diesen Patienten nicht in eine stationäre Behandlung einweisen. Dies kann nur ein Facharzt. Erfordert die ambulante Behandlung eines Patienten ein komplexes Setting, das zum Beispiel auch Ergotherapie oder Soziotherapie mit einschließt oder spezielle Hilfsdienste erfordert, dann kann auch dies alles nur ein Arzt verordnen oder anordnen. Der Gesetzgeber ist anscheinend davon ausgegangen, Psychotherapie auf den Einzelkontakt zwischen dem Psychotherapeuten und seinem Patienten zu beschränken. Dabei wird offenbar als Patient ein sonst eher gesunder "Normalbürger" gesehen, nicht aber ein Mensch in schwierigen Lebenslagen, Mitglied von Randgruppen unserer Bevölkerung oder ein chronisch psychisch Kranker (der in Folge seiner Erkrankung und der bisher nur unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten leider oft auch zu diesen Randgruppen zu zählen ist). Psychotherapeuten sind so bei ihrer Tätigkeit ganz auf sich allein gestellt, können nicht, wie es den Ärzten zugebilligt wird, auf Heilhilfspersonal zurückgreifen (siehe § 28 SGB V) oder in einem komplexen ambulanten oder stationären Behandlungssetting das Behandlungsteam verantwortlich anleiten.
Im weiteren lässt sich fragen, wie ein Psychotherapeut in einer Klinik der Krankenkasse gegenüber bescheinigen kann, dass er einen Patienten in stationäre Behandlung aufgenommen hat, und wie er den Nachweis der Krankenhausleistungen führen kann, wenn für Psychotherapeuten in Kliniken dieselben Regelungen zur vertragsärztlichen Versorgung gelten, wie sie in § 73Abs. 2 SGB V unter Punkt 9 festgehalten sind. Hier sind Psychotherapeuten ausdrücklichnicht befugt, Bescheinigungen oder Berichte zu erstellen, die die Krankenkassen oder der MDK zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen.
Dies erscheint uns als das formale Hindernis für die eigenverantwortliche Tätigkeit eines Psychotherapeuten in einer Klinik, in möglicherweise neu entstehenden ambulanten Gesundheitszentren oder auch in Projekten der integrierten Versorgung chronisch Kranker, in denen sie aus diesem formalen Grund u.a. nicht die verantwortliche fachliche Leitungsfunktion[4] ausüben können. Dies führt zu folgender Forderung:
Ein Psychotherapeut (ambulant oder stationär)
Sind diese Forderungen erfüllt, sind auch die gesetzlichen Regelungen auf Länderebene (Krankenhausgesetze) und andere gesetzliche Regelungen wie die Bundespflegesatzverordnung entsprechend anzupassen.
[1]Auch Diplom-Psychologen mit einer Zulassung nach dem HPG können eigenverantwortlich Psychotherapie ausüben und unterscheiden sich insofern nicht von Psychotherapeuten. Der Unterschied wird deutlich in den sozialversicherungsrechtlichen Bereichen, wo also die Psychotherapie durch die Sozialversicherung finanziert ist, insbesondere in den Krankenhäusern: Hier ist die Zulassung nach dem HPG nicht relevant (mit Ausnahme von Einzelverträgen einer freien Praxis).
[2] In den Psycholtherapierichtlinien ist lediglich die Behandlung "seelischer Behinderung als Folge psychotischer Erkrankung" indiziert, die sich folgerichtig als Rehabilitation darstellt. Eine psychotherapeutische Behandlung der psychotischen Störung selbst wird nicht als indiziert gesehen. Dies widerspricht den aktuellen Ergebnissen heutiger Forschung und den aktuellen Behandlungsleitlinien.
[3] siehe: Von Institutions- zu personenzentrierten Hilfen in der psychiatrischen Versorgung. Bericht zum Forschungsprojekt des BMG - Personalbemessung im komplementären Bereich der psychiatrischen Versorgung. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Band 116, Baden-Baden, 1998
[4] In einigen Einrichtungen versucht man sich zu behelfen, indem man den Psychologen/Psychotherapeuten die "Stationsleitung" überträgt und ihnen somit das Recht einräumt, die Konzeption der Station zu verantworten und Mitarbeiter der Station verantwortlich anzuleiten. Genau genommen kann dies jedoch die Möglichkeit für eine fachlich inhaltliche Anordnung ("Ich verordne für Patient xy tägliche Spaziergänge in Begleitung der Pflegekraft und Ergotherapie jeweils mit dem Ziel" usw.) und deren letzter Verantwortung nicht ersetzen.