Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Prävention sexualisierter und häuslicher Gewalt bei Kindern

Am 17. Januar 2024 lud der Paritätische Wohlfahrtsverband zu einer Fortbildung unter der Überschrift „Prävention sexualisierter und häuslicher Gewalt und die Bedeutung von Gewaltschutzkonzepten in Kindertageseinrichtungen“ ein.

Die Veranstaltung war mit fast 300 Teilnehmenden unterschiedlicher Berufsgruppen gut besucht. Anlass der Veranstaltung war unter anderem, dass Gewaltschutzkonzepte infolge des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) von 2021 für alle Kindertageseinrichtungen verpflichtend sind und für alle Angebote der Kinder- und Jugendhilfe empfohlen werden. Referiert hat Franziska Simon-Erhardt von der Technischen Hochschule Nürnberg, die das Programm ReSi+ (Resilienz und Sicherheit, Primärprävention im Vorschulalter) vorgestellt hat.

Häusliche Gewalt

Gemäß Istanbul-Konvention (Artikel 3) versteht man unter häuslicher Gewalt „alle Handlungen von körperlicher, psychischer, sexueller und ökonomischer Gewalt innerhalb der Familie oder zwischen früheren oder derzeitigen Partner:innen“ (unabhängig vom Wohnsitz). Die Referentin ergänzt diese Aufzählung um die Aspekte der sozialen und digitalen Gewalt, die nicht explizit aufgeführt werden. In der Konvention ist außerdem Übereinkommen getroffen worden, dass alle anwesenden Personen Opfer und nicht nur Zeugen sind, es wird explizit aufgeführt, dass häusliche Gewalt als Menschenrechtsverletzung gilt. Aktuelle Zahlen des BKA für das Jahr 2022: 240.547 Personen wurden Opfer von häuslicher Gewalt (8,5 Prozent mehr als 2021). Allerdings sind diese Hellfelddaten ungeeignet, um abzuschätzen, wie viele Kinder von innerfamiliärer Gewalt betroffen sind. Daten aus der Schweiz zeigen, dass bei mehr als der Hälfte von Polizeieinätzen wegen häuslicher Gewalt Kinder und Jugendliche im Haushalt waren.

Sexuelle Gewalt

Unter sexueller Gewalt wird jede Handlung verstanden, „die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird, oder der das Kind aufgrund seiner körperlichen, seelischen oder sprachlichen Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann“. Unterschieden wird dabei zwischen Handlungen mit direktem Körperkontakt („Hands-on“) und ohne direkten Körperkontakt („Hands-off“, z .B. Pornografie). Im Plenum entbrennt eine Diskussion über sexuelle Handlungen zwischen älteren Kindern oder Jugendlichen und Erwachsenen und es wird noch einmal der besondere Schutz von Minderjährigen betont.

Folgen häuslicher und sexuelle Gewalt

Die Referentin macht deutlich, dass es sehr heterogene Anzeichen gibt. Kurz und mittelfristige Folgen gibt es auf der emotionalen, kognitiven und Verhaltensebene sowie psychosomatische Beschwerden. Langfristig können neben Posttraumatischen Belastungsstörungen auch gesundheitsgefährdendes Verhalten, epigenetische Veränderungen  und Entwicklungsbeeinträchtigungen. Relevant für das Ausmaß der Folgen: Dosiseffekt, Ressourcen und Schutzfaktoren.

Gewaltschutzkonzepte

Grundsätzlich definiert die unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Gewaltschutzkonzepte wie folgt: „Institutionelle Schutzkonzepte für Prävention und Intervention sind ein Zusammenspiel aus Analyse, strukturellen Veränderungen, Vereinbarungen und Kommunikation sowie Haltung und Kultur in einer Organisation“ (UBSKM). Es sollen alle beteiligten Gruppen einbezogen werden. Unter dem Begriff der Analyse ist einerseits die Risikoanalyse gemeint (Welche Bedingungen vor Ort können Täter:innen ausnutzen?), andererseits die Potenzialanalyse (Welche präventiven Strukturen oder Maßnahmen sind vorhanden?). Ziel der Analysen ist das Aufzeigen der konzeptionellen und strukturellen Verbesserungen einer Einrichtung im Sinne des Kinderschutzes. Weitere Bestandteile eines Gewaltschutzkonzeptes sind ein Leitbild, Verhaltenskodex und Selbstverpflichtungserklärungen, Fortbildungen, Personalverantwortung, Partizipation von Kindern und Jugendlichen, Präventionsangebot, Beschwerdeverfahren ein Notfallplan sowie Kooperation mit Fachleuten. Ergänzend zum Konzept des UBSKM gibt es Vorgaben der jeweiligen Länder und der verschiedenen Träger der Einrichtungen.

Resilienzförderung von Kindern im Kindergartenalter mithilfe des ReSi+-Konzeptes

„ReSi“ steht für Resilienz und Sicherheit. Entwicklung und Evaluation des Konzeptes laufen seit 2013, das Projekt ist gefördert durch den Bund und verfolgt einen ressourcenorientierten Ansatz. Zielgruppen sind die Kinder selbst, für die ein umfassendes Programm entwickelt wurde, um Basiskompetenzen und auch spezifische Kompetenzen zu erweitern, die Eltern, die zielgerichtete Informationen (auch in verschiedenen Sprachen) erhalten sollen sowie Fachkräfte. Das ReSi+-Team bietet für unterschiedlich umfassende Schulungen für Einrichtungen an und bietet eine Reihe von Materialien mit Informationen und Reflektionsübungen. Die Entwicklung von Materialien für andere Altersgruppen steht noch aus, ist jedoch angedacht.

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Dr. Johanna Thünker