Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Wechsel ins Rechenzentrum?

 Interview  mit Benjamin Hess, Regionalleiter Süd der Firma Hoenicke Systembetreuung  GmbH. Das Unternehmen ist mittlerweile seit 20 Jahren auf Praxen spezialisiert, ein Großteil der Kund*innen sind Psychotherapeut:innen. Es unterstützt nicht nur in allgemeinen IT-Belangen, sondern auch  bundeaweit ganz speziell zur Telematik sowie zur Praxisverwaltungssoftware. Die Hoenicke Systembetreuung  GmbH ist Partner von mehreren PVS-Herstellern in diesem Bereich. 

Benjamin Hess: Die Grundlagen der Antworten in diesem Interview stammen sowohl aus unseren Erfahrungen als auch aus Rückmeldungen unserer Kunden. Evtl. genannte Empfehlungen bilden unsere persönliche Meinung ab. Neben dem Thema ePA beschäftigen uns derzeit primär Anfragen zu auslaufenden  Konnektorzertifikaten. Dazu gleich vorweg: Es gibt keinen Grund für eine Schnellentscheidung, die  meisten von ihnen haben Zeit bis Dezember 2025. 

VPP: Große Anbieter canceln Ihre Konnektorbetreuung und ermöglichen nur noch  „Rechenzentrum“: Gibt es auch PVS-Anbieter, die nicht ins Rechenzentrum mit den Kunden wechseln wollen? 

B.H.: Hier muss man etwas vorsichtig sein. Die PVS-Anbieter canceln nicht die Konnektorbetreuung, sondern möchten die Kund*innen lediglich mit scheinbar schlagfertigen Argumenten zum Rechenzentrum-Konnektor (RZ-Konnektor) bewegen. Dabei wird oft in den Hintergrund gerückt, dass die Box-Konnektoren nach wie vor hergestellt und eingesetzt werden. Und diesen Weg schlagen nicht alle Hersteller ein. Es gibt namhafte Hersteller, (weitaus größere  als die üblichen im Psychotherpie-Bereich) die sich nicht nur vom RZ-Konnektor, sondern auch vom TI- Gateway abgewandt haben. Grund hierfür war meist die mangelnde Funktionalität bereits  während der Testphase.

VPP: Was muss ich tun, wenn ich nicht ins Rechenzentrum möchte? 

B.H.: Zuerst sollten Sie selbstbewusst an den PVS-Hersteller herantreten und prüfen, ob es nicht  doch möglich ist, den Konnektor tauschen zu lassen anstatt ins Rechenzentrum umzuziehen. Oftmals wird  dem Wunsch nachgegeben, wenn man sich klar äußert. Alternativ können Sie den TI-Anbieter wechseln. Hier möchte ich etwas näher erkläre, was vielen nicht klar ist: Der TI-Anbieter muss nicht zwingend der sein, den der PVS-Anbieter empfiehlt oder gar vertreibt. Die TI und  das PVS sind zwei grundlegend verschiedene Dinge. Ich nehme einmal das Beispiel Handyvertrag. Ich kann in den Shop der Telekom gehen und dort ein Smartphone kaufen. Meistens schließe ich dann natürlich dort auch einen Mobilfunkvertrag ab. Ich kann dort aber auch nur das Gerät  erwerben und dann zu einem anderen Anbieter gehen und dort eine SIM-Karte kaufen. Der SIM-Karten-Slot ist ja immer derselbe. So kann ich das auch tun, wenn ich unzufrieden bin, also den Vertrag  bzw. die SIM-Karte zu wechseln. Deshalb muss ich ja mein Smartphone nicht wechseln. So ist es auch hier. Ich kann jedes PVS mit jeder TI betreiben. Der PVS-Hersteller ist nicht der  TI-Transportdienstleister, er vertreibt lediglich einen der zugelassenen TI-Anbieter wie Arvato,  I-Motion, DGN etc. Es ist also wie eine Art Partnerschaft.  Die oben genannten TI-Transportdienstleister werden nach wie vor langfristig auch den Box -Konnektor anbieten. Dieses Konstrukt, die PVS zwar beizubehalten, die TI jedoch zu wechseln, haben wir in den letzten Monaten häufig genutzt. Aufgrund des massiven Drucks, der teilweise von den Anbietern ausgeübt wird, haben wir aber auch viele PVS-Wechsler. Also Kunden, die nicht nur die TI wechseln, sondern auch auf ein anderes PVS umsteigen. 

VPP: Müssen wir nicht eh alle ins Rechenzentrum, denn geplant ist ja der hardwarelose Konnektor bzw. eine reine Softwarelösung? 

B.H.: Ein ganz klares NEIN. Zumindest nicht stand heute und in absehbarer Zukunft. Wie vorhin schon erwähnt, gibt es Hersteller, die sogar einen anderen Weg einschlagen. Der komplett  konnektorlose TI-Betrieb (TI-Gateway) wird in unseren Augen noch eine gewisse Zeit in  Anspruch nehmen, auch müssen sich die Anbieter erst zertifizieren lassen. Selbst dann ist die  Frage, wie stabil das funktionieren wird, deshalb ja auch das Abwenden mancher Hersteller gegenüber dem TI-Gateway. Und der TI-Gateway (die Konnektor freie Lösung) steht nicht in unmittelbarem  Zusammenhang mit dem Rechenzentrum. Ich muss also nicht ins Rechenzentrum,  damit ich dann auf den TI-Gateway umsteigen kann. 

VPPWie läuft das mit Soft- oder Hardwarefirewalls, die ich habe? Muss ich die ändern? 

B.H.: In der Regel müssen die Firewalls angepasst werden. Dabei geht es meistens um Portfreigaben oder Freigaben auf Protokoll- bzw. Dienstebene. Meist ist das kein großer Eingriff, dennoch muss der IT-Dienstleister der Praxis involviert werden. Wichtig dabei ist, dass Termine für den Umzug in das Rechenzentrum mit dem IT-Dienstleister rechtzeitig abgestimmt  werden. Nur so kann ein reibungsloser Ablauf überhaupt gewährleistet werden 

VPP: Welche Firewall oder sonstigen Vorschriften muss ich dann in der Praxis erfüllen? 

B.H.: Die Vorschriften sind unabhängig von der Betriebsart des Konnektors. Hierfür haben wir die  IT-Sicherheitsrichtlinie der KBV, die unter dem § 75 b bzw. mittlerweile unter dem § 390  bekannt ist und sowieso jede Praxis umsetzen muss. Hier kann ihr IT-Dienstleister bei der  Umsetzung helfen oder diese gänzlich übernehmen. Die KBV hat eine Liste über alle zertifizierten Dienstleister. Unsere Prüfnummern lauten ISAP/20240620/36/00332021,  ISAP/20240627/36/00212024.

VPP: Für was bin ich (immer noch) verantwortlich – auch wenn der Konnektor im  Rechenzentrum steht? 

B.H.: Auch die Verantwortung ändert sich nicht sehr. Die Updates des Konnektors fallen für sie natürlich weg. Allerdings gibt es mittlerweile Box-Konnektoren, die die Updates ebenfalls  zuverlässig automatisch fahren. Außerdem kann es auch Gefahren mit sich bringen, wenn man selbst den Konnektor nicht mehr aktualisieren kann bzw. selbst keinen Einfluss mehr hat. Die rechtliche Verantwortung bleibt dieselbe. Sie sind als Praxisbetreiber für die IT-Sicherheit  verantwortlich. 

VPP: Wie läuft das mit meinem Internetzugang? Wie komme ich mit dem PC, auf dem ich das PVS habe und der an den Konnektor angeschlossen ist, ins Internet? 

B.H.: An der Internetzugangsart ändert sich nichts. Das PVS bzw. die Zusatzsoftware baut über das Internet eine Verbindung mit dem Rechzenzentrums-Konnektor auf. Wenn keine Internetverbindung vorhanden ist (Störung des Internetanbieters, Baustelle etc.), kann keine Verbindung zum Konnektor aufgebaut werden und es können somit, anders wie beim Box-Konnektor, keine Karten eingelesen werden. 

VPP: Verstehe ich das richtig: Aktuell können bei Störungen Karten meist noch „gelb eingelesen“ (ohne erfolgreiche Prüfung der Stammdaten)  werden, sodass dann die Versichertendaten im PVS sind. Wenn man jetzt zum Rechenzentrum wechselt, können bei einer Störung die eGK gar nicht mehr eingelesen werden – gibt es da das „gelbe Einlesen“ nicht mehr?  

B.H.: Korrekt. Das Einlesen funktioniert nur bei einer bestehenden Verbindung zum Konnektor. Und ohne Internet keine Verbindung zum Rechenzentrums-Konnektor. Beim Box-Konnektor kann auch ohne  Internet mit dem Konnektor verbunden werden. Karten können dann also ohne VSDM- Abgleich trotzdem eingelesen werden, was für die KV Abrechnung völlig ausreichend ist. Der VSDM-Abgleich ist nur bei eine*r einzigen Patient*in (bzw. bei 1 Prozent aller eingelesenen Karten pro Quartal) nachzuweisen (1Prozent- Regelung). 

VPP: Welche Vor-/Nachteile bestehen noch, wenn man ins Rechenzentrum wechselt? 

B.H.: Die Vorteile des Rechenzentrum-Konnektors sind in unseren Augen sehr begrenzt. Hier wäre nennenswert der wegfallende Strom- und Platzbedarf des Konnektors sowie eben evtl. die Updatesituation. Da ich immer eine funktionierende Internetverbindung auf beiden Seiten benötige, ist das sicherlich der größte Nachteil. Gerade im ländlichen Bereich führt auch die geringe Bandbreite zu Einschränkungen. Man muss sich auch im Klaren sein, dass man für sämtliche Störungsfälle auf den Support und die damit verbundene Erreichbarkeit des PVS-Herstellers angewiesen ist. Weder Sie als Praxisinhaber*innen noch wir als IT-Dienstleister haben Einfluss bei Störungen. Das gilt auch bei Änderungen wie neuen Benutzer/Arbeitsplätzen, die auf die TI zugreifen möchten oder auch beim Tausch von Karten wie zum Beispiel der Praxisausweis. 

VPP: Was passiert bei TI-Störungen? Wie läuft das, wenn man im Rechenzentrum angeschlossen ist? 

B.H.: Wie vorhin erwähnt läuft das alles über den zentralen Support des PVS-Herstellers.

VPP: Und: Weitere relevante Fragen, die noch nicht angesprochen wurden ... 

B.H.: Ihre Fragen waren sehr gut gewählt und decken auch diese ab, die wir tagtäglich gestellt bekommen. Hier möchte ich lediglich noch unser Fazit bzw. unseren Rat ergänzen: Prüfen Sie unbedingt aktuell die Gültigkeit ihres Konnektorzertifikats. Sollte das Enddatum der 31.12.2025 sein, haben Sie bereits von der Verlängerung gebrauch gemacht und Sie haben genügend Zeit. Warten Sie auf jeden Fall bis Mitte nächsten Jahres ab. Der Markt ist derzeit sehr agil. Bei Unsicherheiten zum Zertifikatsdatum sowie zum weiteren Verfahren holen Sie sich unbedingt neutralen Rat ein. Das kann Ihr IT-Dienstleister sein oder eben Personen bzw.  Einrichtungen, die auf dem aktuellen Kenntnisstand sind. Manche KVen raten zum Umzug ins RZ. Diese Aussage würden wir definitiv in Frage stellen. Sollte Ihr Zertifikat früher auslaufen, holen Sie sich ebenfalls eine neutrale Beratung dazu. Es  gibt nach wie vor die Möglichkeit, auf die Laufzeitverlängerung bis Dezember 2025 zurückzugreifen, den PVS-Hersteller um den Tausch des Box-Konnektors zu bitten oder eben den TI Anbieter zu wechseln. Die Rückmeldungen unserer Kund*innen, die den Rechenzentrum-Konnektor einsetzen, sind leider alles andere als positiv. 

Das Gespräch für den VPP führte Susanne Berwanger.